Der Polare Rückblick – Ein Franzose in Grönland, Rekordhitze in der Arktis, ein neuer Blick auf ein altes Polarwrack
Der Polare Rückblick greift die jüngsten Ereignisse aus den Polarregionen auf. Diese Woche werfen wir einen Blick auf die Reise des französischen Präsidenten nach Nuuk, auf die rekordverdächtige Hitze in der Arktis und auf ein berühmtes Polarwrack.
Der Polare Rückblick ist eine gemeinsame Veröffentlichung des Redaktionsteams von polarjournal.net. Jede*r Autor*in wählt ein Thema aus, das sie/er in der vergangenen Woche interessant und wichtig fand. Die Initialen am Ende eines jeden Abschnitts geben die/den Autor*in an. Wir wünschen Ihnen viel Spaß damit.
Emmanuel Macron besucht Grönland

Emmanuel Macron besuchte am Sonntag, den 25. Juni, die grönländische Stadt Nuuk, die erste symbolträchtige Station auf seiner Reise zum G7-Gipfel in Kanada.
Eingeladen von der dänischen Premierministerin und vom grönländischen Regierungschef erklärte der französische Präsident seine Solidarität mit der Bevölkerung der Insel und seinem europäischen Verbündeten als Reaktion auf die Äußerungen Donald Trumps über dessen gewünschte Annexion des Gebiets.
Auf dem Programm standen ein Besuch eines symbolträchtigen Gletschers, eines von der Europäischen Union finanzierten Wasserkraftwerks und Diskussionen über die Sicherheit in der Arktis an Bord der Fregatte Niels Juel.
Mit der Reise geht eine Stärkung der militärischen Beziehungen einher. Dänemark hat kürzlich den Kauf französischer Boden-Luft-Raketen bestätigt, um seine Verteidigung in diesem Bereich zu verbessern.
In seiner Rede richtete der Präsident die klare Botschaft an Washington, „die territoriale Integrität“ Grönlands zu respektieren. Diese Geste soll die Einheit Europas und die Unterstützung für seine Verbündeten demonstrieren. C.L.
Rekordtemperaturen im Mai in Island und Grönland bedrohen arktische Ökosysteme und Lebensgrundlagen
Mitte Mai erlebten Island und Grönland eine außergewöhnliche Hitzewelle, die die nationalen Rekorde brach. Auf dem Flughafen Egilsstaðir in Ostisland wurden 26,6 °C erreicht – die höchste Mai-Temperatur, die je in Island gemessen wurde. Auch an der Ostküste Grönlands wurden in Ittoqqortoormiit 14,3 °C gemessen, mehr als 13 Grad über dem saisonalen Durchschnitt. Eine anhaltende südliche Luftströmung, verursacht durch ein Hochdrucksystem in der Nähe der Färöer-Inseln und ein Tief südlich von Kap Farewell in Grönland, hielt die Hitze über eine Woche lang aufrecht.
Obwohl ähnliche Wettermuster schon früher aufgetreten sind, zeichnete sich dieses Ereignis durch seinen frühen Zeitpunkt und seine ungewöhnliche Intensität aus. Eine neue Studie zeigt, dass der Klimawandel die isländische Hitzewelle um etwa 3 °C heißer und etwa 40 Mal wahrscheinlicher gemacht hat. Im vorindustriellen Klima wären solche Extreme praktisch unmöglich gewesen.
Obwohl nur wenige unmittelbare Auswirkungen gemeldet wurden, sind die Folgen für kälteangepasste Ökosysteme und Gemeinschaften gravierend. In Island wurden Straßen durch das Schmelzen des Asphalts gefährlich weich. In Grönland beeinträchtigte das vorzeitige Aufbrechen des Meereises die Jagd und Fischerei und gefährdete die Ernährungssicherheit, die Mobilität und das lokale Wissen. Diese Veränderungen werden durch umfassendere ökologische Umwälzungen noch verstärkt: Mit der Erwärmung der arktischen Gewässer wandern Fischbestände ab – Kabeljau und Makrele breiten sich aus, während sich Kaltwasserarten wie Heilbutt und Garnelen nach Norden zurückziehen und damit die Lebensgrundlage der Menschen beeinträchtigen. Das vermehrte Algenwachstum und der Rückgang des lokalen Futterangebots haben einige grönländische Landwirte sogar dazu gezwungen, Heu aus Island zu importieren.
Die Infrastruktur in beiden Ländern ist auf Kälte, nicht auf Wärme ausgelegt. In abgelegenen Gebieten Grönlands führt die schlechte Abwasserentsorgung in Verbindung mit den steigenden Temperaturen und dem auftauenden Permafrost zu einer Gefährdung der öffentlichen Gesundheit. Bei einem ähnlichen Ereignis im Jahr 2022 führte der auftauende Permafrost zu einer Metallverunreinigung in Seen, die die Trinkwasserqualität beeinträchtigte.
Island entwickelt derzeit nationale Anpassungspläne, während Grönland erst beginnt, extreme Hitze als Problem für die öffentliche Gesundheit zu betrachten. Da sich die globale Erwärmung beschleunigt, werden Ereignisse wie diese häufiger und intensiver werden. In einer 2,6 °C wärmeren Welt könnten solche arktischen Hitzewellen mindestens doppelt so wahrscheinlich sein – und sogar noch heißer. J.H.
Erste Bilder von Scotts Terra Nova Wrack enthüllen dessen letzte Momente
Zum ersten Mal seit seinem Untergang vor über 80 Jahren wurde das Wrack der SS Terra Nova, dem berühmten Schiff und Namensgeber von Sir Robert Falcon Scotts letzter Antarktis-Expedition, visuell vermessen. Die neuen Erkenntnisse bieten einen aussagekräftigen Blick auf den Zustand des Schiffes und haben ein lebendiges neues Ökosystem auf dem Meeresboden vor Grönland ans Licht gebracht.
Ein Meeresarchäologenteam an Bord der Forschungsyacht MY Legend hat vor kurzem die Untersuchung abgeschlossen, die auf der Sonarentdeckung des Wracks im Jahr 2012 aufbaut. Mit Hilfe eines modernen Tauchboots und hochauflösendem Bildmaterial hat die Expedition eine detaillierte Bewertung des historischen Polarschiffs vorgenommen.
Die Bilder zeigen, dass die Terra Nova beim Sinken erhebliche Schäden erlitten hat. Der Bug ist in zwei Hälften geteilt und es scheint, dass der hintere Teil des Schiffes zuerst auf dem Meeresboden aufgeschlagen ist. Eine der wichtigsten neuen Entdeckungen war der Steuerstand, der sich in der Nähe des Hecks befand – nach Ansicht des Teams eine ergreifende und symbolische Verbindung zu den letzten Momenten des Schiffes.
Die Untersuchung bestätigte nicht nur die Identität und den Zustand des Schiffes, sondern dokumentierte auch eine unerwartete Entwicklung: Das Wrack ist zu einem blühenden künstlichen Riff geworden. Das Material zeigt ein reichhaltiges marines Ökosystem mit Weich- und Hartkorallen und Fischen, die die Struktur besiedeln. Diese überraschende Entdeckung fügt dem Vermächtnis des berühmten Schiffes und seiner berühmtesten Expedition, an der es teilgenommen hatte, eine neue, ökologische Dimension hinzu.
Leighton Rolley, der Leiter des Projekts, stellte fest, dass diese Untersuchung „seit langem bestehende Fragen über den Zustand und die letzten Momente der Terra Nova“ beantwortet und damit eine Geschichte abschließt, die Polarhistoriker schon lange fesselt. Die erfolgreiche visuelle Untersuchung erweitert das wissenschaftliche Verständnis jenes heroischen Zeitalters der Polarentdeckungen und fügt ein wichtiges Kapitel neben den jüngsten Entdeckungen von Shackletons Endurance und Quest hinzu. M.W.