Erste Langzeitbeobachtung von Kaiserpinguinen dokumentiert Populationstrend
Hochauflösende Satellitenbilder ermöglichten einem internationalen Forschungsteam erstmals die Dokumentation der globalen Populationsentwicklung der Kaiserpinguine: Zwischen 2009 und 2018 nahm die Zahl der Pinguine um fast zehn Prozent ab.
Die Gesamtpopulation der Kaiserpinguine wurde erstmals von einem internationalen Forschungsteam mithilfe von hochauflösenden Satellitenbildern über einen mehrjährigen Zeitraum verfolgt. Die Ergebnisse der Langzeitstudie wurden am 13. März in Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht: Zwischen 2009 und 2018 nahm die Zahl der Pinguine von etwa 252.000 auf etwa 226.000 ab, wobei sich die Gesamtpopulation nach einem stärkeren Rückgang in den Jahren 2015 und 2016 bis zum Ende des Studienzeitraums wieder etwas erholte.
Über die Ursachen des negativen Populationstrends rätseln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler derzeit noch. Ob die Ausdehnung des Festeises, das übliche Brutgebiet der Kaiserpinguine, mit dem Rückgang der Population zusammenhängt ist nicht eindeutig — die Analysen ergaben nur eine schwache Korrelation. In einer Email schreibt uns Peter Fretwell, der beim British Antarctic Survey für Kartierung und Geographische Informationssysteme verantwortlich und Co-Autor der Studie ist, dass dies auf eine Verzögerung in der Population zwischen der Anzahl der brütenden Tiere und den Eisverhältnissen zurückzuführen sein könnte, denn die Jungtiere erreichen erst mit fünf Jahren die Geschlechtsreife. «Es gibt noch eine ganze Reihe anderer klimabedingter Bedrohungen, wie z. B. zunehmende Konkurrenz und Fressfeinde, Niederschläge, Veränderungen in der Verfügbarkeit von Beutetieren, die ebenfalls eine Ursache sein könnten, die aber derzeit nur schwer zu beurteilen sind», erklärt er.
Um die ursächlichen Faktoren der Populationsentwicklung zu ermitteln, wird weitere Forschung nötig sein, bei der Satellitenbilder mit dem Tracking der Tiere, mit Feldbeobachtungen und genetischen Analysen kombiniert werden.
Manche Kolonien sind stabil
Der Populationsrückgang im Beobachtungszeitraum trifft nicht gleichermaßen auf alle 66 bislang bekannten Kolonien zu, von denen mehrere im Rahmen der Studie neu entdeckt wurden. Die Größe der Kolonien in vier von insgesamt acht Festeis-Sektoren — Amundsensee, Bellingshausensee, Dronning Maud Land und Australien — ist über den Studienzeitraum im Durchschnitt stabil geblieben oder sogar gewachsen, wobei es in der Bellingshausensee-Amundsensee-Region einen starken Rückgang zwischen 2009 und 2012 gab, auf den jedoch eine deutliche Zunahme von 2016 bis 2018 folgte.
Im Weddellmeer und im Bereich des östlichen Indischen Ozeans war hingegen die Wahrscheinlichkeit eines Rückgangs der regionalen Populationen am größten, wie die Modellberechnungen ergaben. Beispielsweise nahm die Kolonie in der Halley Bay im Weddellmeer von ungefähr 20.000 Pinguinen im Jahr 2009 auf weniger als 1.000 im Jahr 2018 ab. In beiden Sektoren hat die Ausdehnung des Festeises in den letzten Jahrzehnten abgenommen.
«Wir verstehen den Populationstrend noch nicht vollständig und müssen noch mehr Forschung betreiben. Die Tatsache, dass wir in einem so kurzen Datensatz einen Populationstrend festgestellt haben, ist jedoch sehr wichtig, da dies möglicherweise große Auswirkungen auf die Zukunft der Art hat», sagt Philip Trathan, emeritierter Mitarbeiter und früherer Leiter der Abteilung für Naturschutzökologie beim British Antarctic Survey und Co-Autor der Studie, in einer Pressemitteilung der Woods Hole Oceanographic Institution. «Prognosen deuten darauf hin, dass Kaiserpinguine auch in Zukunft um ihr Überleben kämpfen werden. Daher ist es sehr wichtig, dass wir über Instrumente verfügen, die es uns ermöglichen, einige der Populationsmodelle in der Zukunft vor Ort zu überprüfen.»
Schwierige Überwachung
Kaiserpinguine gehören aufgrund ihres Lebenszyklus und ihrer extrem abgelegenen Brutkolonien auf dem Festeis zu den Seevögeln, deren Beobachtung und Erforschung am aufwändigsten und schwierigsten ist. Doch seit der Verfügbarkeit von hochauflösenden Satellitenbildern ist die umfängliche Überwachung von Populationsstatus und -trends auf globaler Ebene möglich geworden, vor allem weil ungefähr die Hälfte der Kolonien so überhaupt erst entdeckt wurde.
«Unsere Arbeit dokumentiert Veränderungen bei einem ikonischen polaren Seevogel und zeigt, wie nützlich die Fernerkundung sein kann, um Tiere zu verstehen, die in der freien Natur leben», sagt Michelle LaRue, außerordentliche Professorin an der University of Canterbury in Neuseeland und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der University of Minnesota Twin Cities in den USA und Co-Hauptautorin der Studie, in der Pressemitteilung. «In einer sich schnell verändernden Welt müssen wir ständig an unsere Grenzen gehen und neue Ansätze mit bewährten Methoden kombinieren, wenn wir die Folgen dieses Wandels verstehen wollen, vor allem an Orten, die wir nicht erreichen können.»
Das Autorenteam bewertet die Methode als «unschätzbares Instrument für die adaptive Naturschutzplanung in einem sich verändernden Südlichen Ozean». Nur für das Validieren der aus den Satellitenbildern ermittelten Daten waren unter anderem Luftaufnahmen nötig, die das Team im antarktischen Frühjahr 2018 durchführte.
«Mit dieser Arbeit und durch internationale Forschungszusammenarbeit haben wir einen hochmodernen Ansatz zur Überwachung der Kaiserpinguine in der gesamten Antarktis entwickelt, auch an abgelegenen, für Menschen unzugänglichen Orten. Die sehr hochauflösenden Satellitenbilder sind ein Durchbruch für unser Verständnis der räumlichen Verteilung der Kaiserpinguine und die Kenntnis des globalen Populationstrends ist für ihren Schutz sehr wichtig», sagt Stephanie Jenouvrier, leitende Wissenschaftlerin im Fachbereich Biologie der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) und Senior-Autorin der Studie, in der Pressemitteilung.
Doch auch mit dieser fortschrittlichen Methode können die Forschenden nur die Pinguine erfassen, die sich im späten Frühjahr auf dem Festeis befinden. Jungtiere, die noch nicht brüten und die ersten fünf Jahre ihres Lebens im Südlichen Ozean verbringen, sowie nicht-brütende erwachsene Tiere entgehen der Beobachtung. «Es ist sehr schwierig, die Tiere zu untersuchen, die nicht auf das Eis kommen. Wir können vielleicht einige Daten über die Verfolgung der Tiere erhalten, aber insgesamt ist diese Lücke immer noch sehr schwer zu schließen», erklärt Peter Fretwell gegenüber PolarJournal.
Als nächsten Schritt sieht er die Verlängerung der aktuellen Erhebung bis 2024, wobei das Team versuchen wird, die Methode zu verbessern, was «unerlässlich ist, wenn wir die zukünftige Entwicklung der Population verstehen wollen».
Kaiserpinguine in einer sich erwärmenden Welt
Ihre hochspezialisierte Lebensweise macht die Kaiserpinguine besonders anfällig für die Folgen des Klimawandels und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie in der Lage sein werden, sich an die prognostizierten Veränderungen in ihrem Lebensraum anzupassen.
Einige antarktische Regionen verändern sich bereits sehr stark, während andere noch relativ stabile Bedingungen aufweisen. Möglicherweise könnten Peter Fretwell zufolge die hohen Breitengrade im Weddellmeer und Rossmeer Zufluchtsorte für die Kaiserpinguine sein, aber das bleibt abzuwarten.
Auf die Frage, ob die Kaiserpinguine als Art eine Chance haben, die globale Erwärmung zu überleben, hat Peter Fretwell eine klare Antwort: «Das hängt wirklich von uns ab. Die Leute fragen oft, ob sich Kaiserpinguine anpassen können, aber die eigentliche Frage lautet: Können wir uns anpassen? Wenn wir unsere Kohlenstoffemissionen nicht ändern, sieht die Zukunft insgesamt düster aus, aber wenn wir uns rechtzeitig ändern, sollten sie überleben, wobei es schwer zu sagen ist, was ‚rechtzeitig‘ bedeutet.»
Julia Hager, PolarJournal