Große Methanlecks in der Antarktis entdeckt
Eine gerade beendete Expedition zum Kontinentalschelf an der Antarktischen Halbinsel, wo Methanhydrate im Meeresboden schlummern, enthüllte, dass dort auch das Treibhausgas Methan entweicht.
Methanhydrate… Wer Frank Schätzings Wissenschaftsthriller Der Schwarm aus dem Jahr 2004 gelesen hat, wird diesen Begriff kennen und eventuell noch wissen, wo sie zu finden sind und welche Folgen eine plötzliche Freisetzung haben könnte.
Diese festen, kristallinen Strukturen kommen weltweit im Ozean vor, insbesondere entlang der tiefen Kontinentalhänge nicht allzu weit entfernt von den Küsten. Methanhydrate sind verborgen unter dem Meeresboden und entstehen in Bereichen mit niedrigen Temperaturen und hohem Druck, wo Mikroorganismen organisches Material zersetzen und dabei Methan freisetzen – in den Polarregionen typischerweise in Wassertiefen von etwa 200 bis 300 Metern, in niedrigeren Breiten zwischen 500 und 2.000 Metern.
Da Methanhydrate die Kontinentalhänge wie Zement stabilisieren, könnte ihre Freisetzung – eher wegen steigender Temperaturen als durch Schätzings intelligente Schwarmwesen, die «Yrr» – katastrophale Auswirkungen haben wie Unterwasser-Hangrutschungen und daraus resultierende Tsunamis.
Hinzu kommt die hohe Klimawirksamkeit von Methan, die 20 bis 40-mal höher ist als die von Kohlendioxid. Würden große Mengen des Gases freigesetzt, könnte dies erheblich zur Erderwärmung beitragen – in einem Ausmaß, wie es die Klimamodelle noch nicht berücksichtigen.
Expedition nach verborgenem Methan
Die meisten polaren Studien zu Methanhydraten wurden bisher in der Arktis durchgeführt. Um herauszufinden, wie es um diese Strukturen in der Antarktis steht, unternahm ein Forschungsteam unter der Leitung des Institut de Ciències del Mar (ICM-CSIC) und dem Spanish Geological and Mining Institute (IGME-CSIC) im Rahmen des Projekts ICEFLAME eine Expedition zur Antarktischen Halbinsel.
Am 17. Februar kehrten die Forschenden zurück und berichten jetzt in einer Veröffentlichung des ICM von der Entdeckung großer Methanlecks am Meeresboden. Sie konnten erstmals beobachten, dass dort, wo Methanhydrate vorkommen, große Mengen Methan in gasförmigem Zustand aus dem Meeresboden freigesetzt werden.
«Wir wussten bereits von der Existenz fester Methanhydrate unter den Kontinentalrändern der Antarktischen Halbinsel, aber dank dieser Kampagne konnten wir unsere Hypothese ihrer gasförmigen Zersetzung bestätigen. Einige dieser Gasemissionen stammen aus bereits bekannten Verwerfungen, andere aus solchen, die wir zum ersten Mal identifiziert haben», erklärt Dr. Roger Urgeles, leitender Wissenschaftler der Forschungsmission und Forscher am Seafloor and Sub-seafloor Processes Laboratory des ICM, in dem Artikel des Instituts.
Beschleunigt der Klimawandel die Methanemissionen?
Das Forschungsteam will nun herausfinden, ob die Methanemissionen ein natürlicher und stabiler Prozess sind oder ob das fragile Gleichgewicht von Druck und Temperatur, das die Methanhydrate im Meeresboden hält, durch den Klimawandel ins Wanken gerät und die Freisetzung beschleunigt.
Seit dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor etwa 20.000 Jahren schrumpft die Eismasse auf dem antarktischen Kontinent – in jüngerer Zeit wegen der globalen Erwärmung deutlich schneller. Durch das abnehmende Gewicht hebt sich der Kontinent und der Druck auf die Methanhydrate nimmt ab.
«Wir wollen herausfinden, ob die Zersetzung von Hydraten ein Prozess ist, der sich im Gleichgewicht mit seiner Umgebung befindet, oder ob er durch externe Faktoren verändert wird», so Dr. Urgeles.
Im Labor analysieren die Forschenden nun die gesammelten Sediment-, Wasser- und Gasproben, um mehr über die Hydrate zu erfahren, ihre Entwicklung zu modellieren und ihre zukünftige Stabilität zu beurteilen.
Darüberhinaus untersucht das Team auch die mikrobiologischen Gemeinschaften rund um die Methanlecks, die das Treibhausgas als Energiequelle nutzen und somit «entschärfen» oder in weniger klimawirksames Kohlendioxid umwandeln. Die Forschenden hoffen, dass das Verständnis darüber, inwieweit diese Gemeinschaften auf Veränderungen der Methankonzentration reagieren, wertvolle Einblicke in die Stabilität mariner Ökosysteme in einer sich erwärmenden Welt liefern könnten.
Welche Bedeutung die Entdeckung der Methanemissionen insbesondere in Bezug auf die globale Erwärmung hat, ist also noch Gegenstand der Untersuchungen. Dr. Urgeles betont, dass es noch zu früh ist, deren genauen Ursprung und den Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel zu bestimmen. Spekulationen über Szenarien von Hangrutschungen und Tsunamis in der Antarktis wie sie Frank Schätzing in seinem Buch beschreibt, sieht das Team ebenso als verfrüht.
Julia Hager, Polar Journal AG


