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Kanadische Universität führt das erste Anti-Betrugssystem ein, um vorgetäuschte Inuit zu erkennen

Ole Ellekrog 12. Juli 2024 | Arktis, Gesellschaft, Politik
Prof. Airini, der Präsident der Inuit Tapiriit Kanatami, Natan Obed, und der Präsident der University of Saskatchewan, Peter Stoicheff, während der feierlichen Unterzeichnung eines Abkommens zur Sicherstellung der Überprüfung von Inuit-Studenten an der Universität. Foto: Universität von Saskatchewan
Prof. Airini, der Präsident der Inuit Tapiriit Kanatami, Natan Obed, und der Präsident der University of Saskatchewan, Peter Stoicheff, während der feierlichen Unterzeichnung eines Abkommens am 28. Juni, das die Überprüfung von Inuit-Studenten sicherstellen soll. Foto: Universität von Saskatchewan

Nach der Verurteilung einer Frau zu drei Jahren Haft wegen Identitätsbetrugs in Nunavut wurde eine Zusammenarbeit mit einer Inuit-Organisation angekündigt. Die University of Saskatchewan hofft nun, dass ihr System mehr Inuit-Studenten anziehen wird, wie der Vizeprovost in einem Interview mit Polar Journal AG erklärt.

In Kanada haben in den letzten Jahren die Fälle zugenommen, in denen Menschen ihre indigenen Wurzeln fälschen, um finanzielle oder soziale Vorteile zu erlangen. Diejenigen, die diese betrügerische Praxis anwenden, haben den fragwürdigen Spitznamen „Pretendians“ erhalten.

Vor zwei Wochen erreichte das Phänomen einen neuen Höhepunkt, als eine Frau in einem Gerichtssaal in Nunavut wegen Vortäuschung von Inuit-Wurzeln zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Die Frau, die nicht von den Inuit abstammt, hatte eine ältere Inuk-Frau genötigt, zu behaupten, sie seien verwandt. Dies ermöglichte ihren Zwillingstöchtern den Zugang zu Stipendien und anderen Vergünstigungen, die für Inuit vorgesehen sind.

Fälle wie dieser haben die Universität von Saskatchewan dazu inspiriert, ein neues System zur Betrugsbekämpfung einzuführen. Das neue System, das seit zwei Jahren entwickelt wird, bricht mit der bisherigen Praxis, den Studenten blind zu vertrauen. Nun ist für den Zugang zu einigen Stipendienprogrammen der Universität ein Nachweis der Abstammung von bestimmten indigenen Gruppen erforderlich.

„Es gibt Personen, die Zugang zu Finanzmitteln, Positionen oder verschiedenen Programmen erhalten wollen, indem sie sagen, dass sie indigen sind. Diese Politik ist deshalb entstanden“, sagt Dr. Angela Jaime, Vize-Provostin für indigenes Engagement an der Universität von Saskatchewan gegenüber Polar Journal AG.

„Es ist das erste seiner Art in Kanada, und unser Verfahren ist sehr streng“, erklärt sie.

Dr. Angela Jaime sprach auch während der Zeremonie vor ein paar Wochen. Foto: Universität von Saskatchewan
Die Vize-Provostin Dr. Angela Jaime sprach auch während der Unterzeichnungszeremonie vor ein paar Wochen. Sie hat selbst indigene Wurzeln in den USA. Foto: Universität von Saskatchewan

Kann nicht mehr nur „abgehakt werden”

Das Verfahren und die Richtlinie, die Dr. Angela Jaime und ein Team an der University of Saskatchewan entwickelt haben, nutzen ein Online-Portal. Hier müssen alle Studenten und Mitarbeiter, die von ihren indigenen Wurzeln profitieren, einen Nachweis über ihre Zugehörigkeit zu bestimmten indigenen Gemeinschaften hochladen.

Der Nachweis besteht in der Regel aus Ausweisen, zu denen die meisten Mitglieder indigener Gruppen in Kanada Zugang haben. Die Überprüfung der Zugehörigkeit bleibt daher den einzelnen indigenen Gruppen überlassen, die die Ausweise ausstellen. Die Universität wird daher selbst keine Familienregister oder DNA-Datenbanken durchgehen.

Aus diesem Grund hätte der jüngste Fall aus Nunavut durch das neue System nicht verhindert werden können, räumt Dr. Angela Jaime ein. Hier hatte die Verurteilte tatsächlich Zugang zu einem gültigen Stammesausweis (den sie sich in betrügerischer Absicht erschlichen hatte).

Stattdessen soll das System verhindern, dass nach Schätzungen von Kim TallBear von der Universität Albertabis zu 25 Prozent der Anstellungen von selbst-deklarierten Angehörigen indigener Gruppen in Kanada an Nicht-Indigene vergeben werden.

„Was wir verhindern können, ist, dass jemand einfach behauptet, er oder sie seien Angehörige der Métis, First Nation oder Inuit, ohne dies zu dokumentieren“, meint Dr. Angela Jaime.

„In den letzten 10 Jahren hat die Selbstdeklaration indigener Völker im ganzen Land massiv zugenommen, die Leute kreuzen einfach das Kästchen an. Aber jetzt haben wir dem einen Riegel vorgeschoben, indem wir Nachweise verlangen“, sagt Dr. Angela Jaime.

An der Universität von Saskatchewan sind rund 27'000 Studenten und Studentinnen eingeschrieben. Sie befindet sich in Saskatoon. Foto: Universität von Saskatchewan
An der Universität von Saskatchewan sind rund 27’000 Studenten und Studentinnen eingeschrieben. Sie befindet sich in Saskatoon. Foto: Universität von Saskatchewan

Abkommen mit allen indigenen Gruppen

Die Universität von Saskatchewan überprüft zwar nicht die Abstammung jedes einzelnen Personen, die sich auf ein Stipendium bewirbt, aber es wurde viel Arbeit in die Zusammenarbeit mit den verschiedenen indigenen Gruppen gesteckt, auf deren Überprüfung sie angewiesen ist.

Diese Abkommen wurden mit jeder indigenen Gruppe einzeln ausgehandelt, und vor kurzem wurde ein Abkommen mit Inuit Tapiriit Kanatami, Kanadas nationaler Inuit-Organisation, bekannt gegeben.

Derzeit wurden Vereinbarungen mit indigenen Gruppen getroffen, die unter den 3’500 indigenen Studenten, Mitarbeitern und Lehrkräften der Universität vertreten sind. Dazu gehören mehr als 30 First Nations in der Provinz Saskatchewan, Métis-Nationen aus jeder Provinz und die Organisation der Inuit.

„Gegenwärtig haben wir nur Vereinbarungen mit den Gruppen, die derzeit an unserer Institution vertreten sind. Wir würden jedoch gerne ein Portalsystem einrichten, in dem alle diese Vereinbarungen gespeichert sind und das von Universitäten im ganzen Land genutzt werden kann“, fügt Dr. Angela Jaime an.

Wenn dieser Wunsch in Erfüllung ginge, würde der Prozess vereinfacht und jede Universität müsste die Vereinbarungen nicht neu aushandeln. Denn nicht bei allen Studierenden sei die Herkunft leicht zu überprüfen, betont sie.

„Wir wissen, dass es indigene Gemeinschaften auf der Welt gibt, die nicht an der kolonialen Dokumentation teilnehmen, zum Beispiel in Mexiko und in Mittel- und Südamerika. Aber auch dafür haben wir ein Verfahren, bei dem der Einzelne seine Geschichte aufschreibt und ein offizielles Rechtsdokument beantragt“, erklärt Dr. Angela Jaime weiter.

Seit 2017 hat die Universität Saskatchewan einen Vize-Provost bzw. eine Voze-Provostin für indigenes Engagement mit der Aufgabe, eine"inspirierende, transformative und visionäre Führung für das indigene akademische Portfolio an der University of Saskatchewan zu bieten." Foto: University of Saskatchewan
Seit 2017 hat die Universität Saskatchewan einen Vize-Provost bzw. eine Voze-Provostin für indigenes Engagement mit der Aufgabe, eine„inspirierende, transformative und visionäre Führung für das indigene akademische Portfolio an der University of Saskatchewan zu bieten.“ Foto: University of Saskatchewan

Bietet Sicherheit und Schutz

Die Universität von Saskatchewan ist in diesem Bereich führend, aber Dr. Angela Jaime hofft, dass sie in ihrem Kampf gegen die „Prentendians“ (Täuschende) nicht allein bleiben wird. Daher hat sie das System bereits mehr als 100 verschiedenen Institutionen in Kanada und darüber hinaus vorgestellt.

„Wir sehen bereits die Auswirkungen unserer Richtlinie in anderen Institutionen. Die McGill University hat jetzt eine Richtlinie, die auf unserer basiert. Die Dalhousie University hat unsere Richtlinie ebenfalls für ihren Bericht verwendet, während die Universität von Manitoba eine Richtlinie eingeführt hat, die etwas anders ist”, erzählt sie.

Sie hofft, dass das neue System, das auch zur offiziellen Universitätspolitik geworden ist, in Zukunft zum Standard an Universitäten in ganz Kanada wird.

Denn die Universität von Saskatchewan ist laut Dr. Angela Jaime stolz darauf, in diesem Bestreben führend zu sein. Die Universität hat bereits die höchste Anzahl indigener Studentinnen und Studenten und sie hofft, dass ihr Engagement für die Verifizierung noch mehr dazu anregen wird, sich zu bewerben. Dazu gehören auch Inuit-Gruppen die derzeit nur mit einer Handvoll Studierenden vertreten sind.

„Wenn wir einen Prozess wie diesen haben, der sicherstellt, dass Inuit-Studentinnen und Studenten Zugang zu speziell indigenen Stipendien haben, kann das sehr wohl die Sicherheit bieten, die indigene Menschen suchen. Wir hoffen, dass dies unser Engagement für sie zeigt und dass in Zukunft mehr von ihnen an die Universität von Saskatchewan kommen werden“, hofft sie.

Ole Ellekrog, Polar Journal AG

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